Von Kelly M. Kapic - Übersetzung aus dem Amerikanischen
von Michael Künnemann
"Denn die Menschen werden viel von sich
halten,
geldgierig sein, prahlerisch, hochmütig, Lästerer,
den Eltern ungehorsam, undankbar, gottlos, lieblos,
unversöhnlich, verleumderisch, zuchtlos, wild,
dem Guten Feind, Verräter, unbedacht, aufgeblasen.
Sie lieben die Wollust mehr als Gott;
sie haben den Schein der Frömmigkeit,
aber deren Kraft verleugnen sie;
solche Menschen meide!"
Wer ist das Zentrum Deines Lebens? Ist Deine Antwort
Jesus, oder sind es Deine Kinder, Deine Freunde oder Dein Ehepartner? Was wäre,
wenn ich Dir sagen würde, dass die Antwort auf diese Frage "Du!"
lautet? Und was wäre, wenn ich Dir sagen würde, dass das OK ist? Lasst uns
klarstellen: die Frage ist nicht, ob Du das Zentrum Deines Universums
bist - das bist Du. Das ist, was Philosophen und Psychologen manchmal das
egozentrische Dilemma nennen. Einfach ausgedrückt, wir können uns selbst nicht
entkommen. Was immer wir fühlen, denken, sprechen oder glauben, es sind wir,
die das Fühlen, Denken, Sprechen oder Glauben besorgen. Wenn wir mit Gott,
anderen und der Welt in Beziehung treten, ist unser Referenzpunkt
unausweichlich unser Ego.
Nun, hier ist die 'Überraschung': Für diese Art der
"Selbstzentriertheit" müssen wir nicht umkehren. Stattdessen müssen
wir erkennen, wie sehr wir von einer schwachen Schöpfungslehre beeinflusst
sind. Ein Geschöpf zu sein, einschließlich unserer Endlichkeit und
Besonderheit, ist ein Geschenk Gottes. Zu versuchen, uns selbst zu
"entkommen" und irgendein anderes "Zentrum" zu haben, kann
leicht in eine abstrakte Form der Spiritualität abgleiten, die unsere
Geschöpflichkeit untergräbt. Das "Ich" vollständig zu verleugnen
bedeutet aufzuhören zu existieren. Lasst uns vorsichtig sein mit unserem
fromm-klingenden Gerede, das unsere Menschlichkeit untergräbt, denn sobald dies
geschieht, wird aller Rat über die Heiligung und Umgang mit Sünde schief und
letztendlich selbst-zerstörerisch für einen Christen. Wir sind nicht gerufen,
uns für unsere Menschlichkeit zu entschuldigen, oder von ihr umzukehren.
Doch es existiert eine andere Art von
"Selbst-Zentriertheit" die zerstörerisch ist und von der wir ganz
sicher umkehren müssen. Das ist, was wir Egozentrik nennen. Den Unterschied
zwischen geschöpflicher Selbst-Zentriertheit und sündigem Egozentrik zu kennen,
kann uns helfen in Gnade und Wahrheit zu wachsen. Und es mag dazu führen, dass
wir die Spülmaschine für unseren Ehepartner etwas öfter leeren.
Sünde erzeugt eine Perversion unserer geschöpflichen
Selbst-Zentriertheit, so dass wir annehmen, wir seien nicht allein das Zentrum
unserer eigenen Welt, sondern wir wären tatsächlich das Zentrum der Welt aller
anderen. Wir vergessen, dass wir Teil der majestätischen und miteinander
verbundenen Schöpfung sind und engstirnige und zerstörerische Egozentrik ist
das Ergebnis. Wir sind noble und glorreiche Geschöpfe, geschaffen nach Seinem
Bilde, doch wir sind nur Teil dieser Schöpfung; wir sind nicht deren Gesamtsumme.
Obwohl es wahr ist, dass wir unentrinnbar das Zentrum unserer eigenen Welt
sind, ist es ein großer Unterschied zu sagen, wir seien das Zentrum
der Welt.
Nur der Dreieine Schöpfer wird zu Recht als das Zentrum
des Universums
angesehen, denn es ist Seine Schöpfung: Denn von ihm und durch ihn und zu ihm
sind alle Dinge. (
Rö
11,36).
Hier ist also das Dilemma: Auf der einen Seite können - und
sollen - wir es als Geschöpfe nicht darauf anlegen, unserem "Selbst"
zu entkommen. Auf der anderen Seite, ist unser "Selbst" durch die
Sünde verbogen worden und wir stehen nicht mehr in der richtigen Beziehung zu
Gott oder dem Rest Seiner Schöpfung. Aufgrund unserer Sünde sind wir, mit in
einem Wort gesagt, egozentrisch. Die Sünde hat beeinflusst, wie wir denken,
fühlen und begehren. Infolgedessen versuchen wir das Werk der Hände Gottes zu
verbiegen, um unserem eigenen egoistischen Verlangen zu dienen. Nehmen wir wenn
wir autofahren nicht an, dass unser Zeitplan der Wichtigste ist in Gottes Welt?
Wenn wir versäumen, andere zu sehen und zu wertschätzen, offenbaren wir eine
verdorbene Selbst-Zentriertheit, die den Schöpfer und Seine Schöpfung
unterminiert. Dabei frisst diese Selbstsucht unser eigenes Leben. Die ganze
Schöpfung war darauf angelegt, die Güte des Schöpfers zu genießen, Ihn als
Herrn und Schöpfer aller Dinge anzubeten. Konsequenterweise sollte jedes Teil
alle anderen Teile schätzen und lieben. Eine unheimliche Seite der Sünde ist,
dass sie uns in uns selbst gekehrt hat. In beunruhigender Weise handeln wir
subtil so, als wären wir der Schöpfer, statt das Geschöpf, als ob alle Dinge
allein für uns gemacht seien.
Doch hier entdecken wir auch die christliche Hoffnung. Wenn
Gott Sein Volk befreit, beginnt Er auch uns Einklang mit dem zu bringen, wie Er
uns ursprünglich für uns zu leben geplant hatte. Der Schöpfer-Gott ist auch der
Neu-Schöpfer. Als solche, die durch Christus erlöst und in der Kraft Seines
Geistes freigesetzt sind, sehen wir, wie unsere Welt beginnt, sich zu
verändern. Während die Sünde uns fortwährend nach innen verbiegt, so dass wir
von uns selbst verzehrt werden, zieht uns das Evangelium wieder zurück zu einer
angemessenen Liebe für den Schöpfer und Seine Schöpfung.
Getränkt in der Liebe des Vaters, der Gnade des Sohnes und
der starken Gemeinschaft des Heiligen Geistes, sind wir ermächtigt, uns in
Gottes Vergebung zu sonnen. Wir sind befreit, andere zu lieben, nicht nur uns
selbst. Während sündige Selbst-Zentriertheit dazu tendiert, das Individuum und
Beziehungen zu unterminieren, schafft es die lebensspendende Kraft Gottes, das
Individuum und Beziehungen wieder herzustellen. Wir hören auf, uns ausschließlich
um
unsere Welt zu sorgen und beginnen, uns um
Gottes Welt zu
kümmern, die Welt, die Er so liebte, dass Er seinen einzig geborenen Sohn für
sie gab (
Johannes 3,16).
Um biblisches Vokabular zu bemühen, ist die Frage nicht, ob
Du ein "Selbst" hast, sondern ob es das "Neue Selbst" oder
das "Alte Selbst" ist, das Dich regiert. (
Eph
4,20,
1Kor 5,7). Wie Paulus an die Kirche in Kolossä schreibt,
"belügt einander nicht; denn ihr habt den alten Menschen mit seinen Werken
ausgezogen und den neuen angezogen, der erneuert wird zur Erkenntnis nach dem
Ebenbild dessen, der ihn geschaffen hat." (
Kol
3,9-10). Andere zu belügen ist nur annehmbar, wenn Du glaubst, dass Du mehr
wert bist, als die anderen, was eine gefährliches Missverständnis der Schöpfung
ist.
Wenn Gott uns ein neues Selbst gibt, sind wir dazu befreit,
den Schöpfer als Allmächtigen Herrn anzubeten, was uns ermöglicht, das alte
Selbst und seine von Eigeninteresse und Selbstschutz verunreinigten
Gewohnheiten hinter uns zu lassen. Als die, die in Christus freigesetzt sind,
sind wir frei, Gott und Nächsten zu lieben und das Gute der Anderen zu suchen,
selbst wenn es uns selbst etwas kostet. Das alte Selbst praktiziert eine
verdrehte Selbst-Liebe, die letztendlich zur Selbst-Zerstörung führt,
wohingegen das neue Selbst eine kreuzförmiges Leben praktiziert, welches darauf
abzielt, das Leben und die Liebe Gottes zu den Menschen zu bringen, denen wir
begegnen.
Paulus warnt in seinem zweiten Brief an Timotheus vor "den letzten
Tagen", in denen diese pervertierte Selbst-Liebe sich immer mehr
manifestieren wird:
"Denn die Menschen werden viel von sich halten,
geldgierig sein, prahlerisch, hochmütig, Lästerer, den Eltern ungehorsam,
undankbar, gottlos, lieblos, unversöhnlich, verleumderisch, zuchtlos, wild, dem
Guten Feind, Verräter, unbedacht, aufgeblasen. Sie lieben die Wollust mehr als
Gott; sie haben den Schein der Frömmigkeit, aber deren Kraft verleugnen sie;
solche Menschen meide!" (
2Tim
3,2-5)
Indem wir diese Warnung umkehren, können wir aber auch sehen, wie Paulus sich
Christen vorstellt, die für das Gute der Anderen leben. Gläubige sind dazu
berufen, keine "Selbst-Liebhaber" zu sein, denn sie begreifen, dass
sie zu Gott gehören und für Seine guten Absichten geschaffen wurden. In unserer
sündigen Welt bedeutet das, dass wir von Christus dazu berufen sind, uns selbst
für andere hinzugeben, auf dass sie die Kraft seiner Liebe durch uns erkennen
mögen.
Wir gehören zu Gott und daher sind wir frei, den Schöpfer und Seine Schöpfung
angemessen zu lieben. Denk noch einmal über die Kehrseite dessen nach, was
Paulus oben sagt. Wir Christen sind frei, unser Geld an die wegzugeben, die in
Not sind. Wir sind, sowohl unsere Endlichkeit, wie auch unsere sündigen
Verdrehungen der Realität erkennend, frei, uns von der Arroganz zur Demut zu
wenden. Wir sind frei dankbar zu sein, voller Respekt und Ehrerbietung für
andere, weil wir anerkennen, dass alles was wir haben ein Geschenk von Gott
ist. Wir sind frei, große Herzen zu haben, einen empathischen Sinn für andere
zu kultivieren, deren Wohlergehen und Gutes zu suchen, wo wir an ihren
Geschichten und Schmerzen teilhaben. Wir sind frei, Gott mehr zu lieben, als
unser eigenes Vergnügen; darum sind wir befähigt, das Kreuz Christi
aufzunehmen, Ihm zu folgen, unsere eigene Selbst-Sucht abzulegen und zuerst das
Reich Gottes zu suchen und Seine Gerechtigkeit [siehe
Mt
6,33 Anm. d. Üs.]. Wir sind frei von abstumpfender Religiosität (dem Schein
der Frömmigkeit), welche oft in solcher Weise von Sünde spricht, dass wir zum
Fokus werden, statt unseren Blick zu Christus und der verändernden Macht Seines
Geistes zu erheben. Einfach gesagt, sind wir in Christus frei, den Schöpfer und
Seine Schöpfung richtig zu lieben.
Frömmigkeit ruft uns nicht dazu auf, die Realität der des egozentrischen
Dilemmas zu leugnen, sondern es ruft uns dazu auf, die Selbst-Sucht abzulegen.
Gott widersteht den Hochmütigen. Wenn wir arrogant sind, vergessen wir, dass
wir Geschöpfe sind und unsere Sünde macht uns anderen gegenüber
"spöttisch" (
Spr.
3,34). Doch Gott gibt den Demütigen Gnade, denn die Demütigen begreifen
ihre Abhängigkeit von Ihm und anderen und sind daher aufmerksam und gnädig
gegenüber denen, die sie umgeben (
1Pe
5,5c,
Jak 4,6). Wiewohl wir nicht in der Lage sein mögen, der
geschöpflichen Realität des egozentrischen Dilemmas zu entkommen, können wir
doch eine vom Geist bevollmächtigte Aufmerksamkeit und Nächstenliebe
kultivieren. Lasst uns, während wir unseren Platz in Gottes Neu-Schöpfung
einnehmen: schnell zum Hören, langsam zum Reden, langsam zum Zorn sein, das
Gute der anderen noch vor uns selbst fördern und durch unsere Worte und Taten
immer darauf abzielen, andere zum Dreieinen Schöpfer zurück zu ziehen, der
allein uns von der dunklen Falle unserer Selbst-Sucht befreien kann (
Jak
1,19,
1Pe 2,12). Also, auf geht's, lass den anderen Fahrer
überholen und leere vielleicht sogar die Spülmaschine, wenn keiner hinschaut.
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2. Die Aussage Christi: “niemand kommt zum Vater, es sei denn durch mich” ist eine ebenso absolute Aussage. Nur sagt sie das absolute Gegenteil der ersten Behauptung aus.
3. Die Frage ist also nicht welche Aussage dem pluralistischen Wunschdenken am meisten widerspricht, denn das tun sie beide in gleicher Weise. Sondern es geht bei beiden Aussagen um Wahrheitsaussagen. Die eigentliche Frage ist also welche von beiden Aussagen wahr ist – nicht, welche uns besser in den Kram passt.
4. Die Heilige Schrift lehrt klar, dass wir Menschen von uns aus keinerlei Fähigkeit zur Gotteserkenntnis haben, nicht über die Sinne, noch die Gefühle oder den Verstand. Das lehren uns zu Recht auch Biologie, Philosophe, Psychologie und Physik. Insofern ist kein Christ klüger oder dümmer als ein Nichtchrist, denn unsere Voraussetzungen zur Gotteserkenntnis sind, weil wir alle begrenzte Menschen sind, weltweit die selben.
5. Die Heilige Schrift lehrt jedoch klar, dass Gott von sich aus die Kluft der Erkenntnis überbrückt hat, indem ER sich uns Menschen offenbart hat; in einer Weise, die für uns sowohl verständlich als auch historisch nachvollziehbar ist.
6. Wer die antiken Schriften aufrichtig und ohne Vorurteil auf die Korrektheit ihrer Überlieferung hin prüft, wird feststellen, dass sie das ungefälschte Zeugnis vieler Zeitzeugen enthält, die von einer historischen Figur mit einem absolut einwandfreien Charakterzeugnis berichten. Und davon, dass diese Person eine absolut ungeheuerliche Aussage machte.
7. Die Christen haben die Weisheit also nicht mit Löffeln gefressen und sind daher auch nicht klüger als alle anderen. Als Menschen, die erkannt haben, dass sie vor Gott Sünder sind, haben sie sogar noch viel weniger Grund zum Hochmut, als die gemeine Volksmeinung uns gerne glauben machen will. Vielmehr sind sie dankbare Empfänger der von Gott gegebenen Erkenntnis, dass allein in Jesus Christus, dem offenbarten Gott, die Wahrheit, der Weg zu Gott und damit ewiges Leben zu finden ist (Joh 14,6).
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siehe auch: http://goo.gl/P05U2, sowie: http://goo.gl/R9uyr