Sonntag, 20. Dezember 2015

Die Herrlichkeit der Reichen ist Trug und Schein (Ps 49:1-21)

Text

1 "Ein Psalm der Söhne Korach, vorzusingen, nach der Weise »Jugend«." 2 Höret zu, alle Völker; merket auf, alle, die in dieser Zeit leben, 3 einfache Leute und Herren, Reich und Arm, miteinander! 4 Mein Mund soll Weisheit reden, und was mein Herz sagt, soll verständig sein. 5 Ich will einem Spruch mein Ohr neigen und mein Rätselwort kundtun beim Klang der Harfe. 6 Warum sollte ich mich fürchten in bösen Tagen, wenn mich die Missetat meiner Widersacher umgibt, 7 die sich verlassen auf Hab und Gut und pochen auf ihren großen Reichtum? 8 Kann doch keiner einen andern auslösen oder für ihn an Gott ein Sühnegeld geben 9 - denn es kostet zu viel, ihr Leben auszulösen; er muss davon abstehen ewiglich -, 10 damit er immer weiterlebe und die Grube nicht sehe. 11 Nein, er wird sehen: Auch die Weisen sterben, / so wie die Toren und Narren umkommen; sie müssen ihr Gut andern lassen. 12 Gräber sind ihr Haus immerdar, ihre Wohnung für und für, und doch hatten sie große Ehre auf Erden. 13 "Ein Mensch in seiner Herrlichkeit kann nicht bleiben," "sondern" "muss davon wie das Vieh." 14 Dies ist der Weg derer, die so voll Torheit sind, und das Ende aller, denen ihr Gerede so wohl gefällt. "SELA". 15 Sie liegen bei den Toten wie Schafe, der Tod weidet sie; aber die Frommen werden gar bald über sie herrschen, und ihr Trotz muss vergehen; bei den Toten müssen sie bleiben. 16 Aber Gott wird mich erlösen aus des Todes Gewalt; denn er nimmt mich auf. "SELA". 17 Lass es dich nicht anfechten, wenn einer reich wird, wenn die Herrlichkeit seines Hauses groß wird. 18 Denn er wird nichts bei seinem Sterben mitnehmen, und seine Herrlichkeit wird ihm nicht nachfahren. 19 Er freut sich wohl dieses guten Lebens, und man preist dich, wenn es dir gut geht. 20 Aber doch fahren sie ihren Vätern nach und sehen das Licht nimmermehr. 21 "Ein Mensch in seiner Herrlichkeit kann nicht bleiben," "sondern muss davon wie das Vieh."


Kommentar

Zusammenfassung

Dieser letzte im zweiten Buch der Psalmen aufgeführte Psalm der Korahleviten verkündet der ganzen Welt, ungeachtet deren Stand und Vermögen, Weisheit: es ist die Antwort auf die rätselhafte Frage nach dem Umgang des Gottesfürchtigen mit der Bosheit der Gewaltigen. Die Antwort lautet: Der Böse wird vergehen, Du aber bleibst - dank der erlösenden Gnade - in alle Ewigkeit bei Gott. Darum lass Dich nicht erbittern und fürchte Dich nicht.


Struktur

1 Auch dieses, als letztes im zweiten Psalmenbuch verzeichnete, Vortragslied der Korahleviten ist dem Chorleiter gewidmet.

2-5 Der Psalmist ruft, ungeachtet des Standes, der ganzen Welt zu, seine Botschaft zu hören: der weisen Antwort auf eine rätselhafte Frage, über die er lange nachgedacht hat.

6-7 Die Frage ist: Warum sollten wir uns vor der Bosheit der Gewaltigen fürchten?

8-13 Die Antwort: Wir sollten uns nicht fürchten. Denn selbst der Mächtigste kann sich nicht selbst vom Urteil Gottes über seine Sünde erlösen. Vielmehr wird er sterben, wie das Vieh.

14-16 Doch so sicher der Gottlose sterben muss und bessere nach ihm kommen, so sicher wird der Gottesfürchtige von Gott erlöst werden; von des Todes Gewalt zum ewigen Leben.

17-21 Das Fazit: Das Drohen der Mächtigen soll uns, im Angesicht der Ewigkeit, nicht anfechten. Denn sie werden mitsamt ihrem Reichtum, ihrer Macht und ihrem Ansehen vergehen.


Inhalt

1 Auch Psalm 49 (Buber: "ein Harfenlied"), das letzte dem zweiten Psalmbuch zugeordnete Vortragslied der Korahleviten, ist dem Chorleiter gewidmet. Schon in den Psalmen 44-47 und so auch hier müsste es also zu Beginn heißen: "Dem Chorleiter." und hier weiter: "Von den Söhnen Korach. Ein Psalm."

In der Übersetzung Luthers jedoch fehlt diese Widmung. Zudem geht der angefügte Hinweis "nach der Weise »Jugend«" nicht auf Luther, der sich auf den hebräischen Urtext stützte, zurück - sie ist in den Ausgaben von 1545 und auch in der Revision von 1912 nicht zu finden - sondern wurde erst mit der Revision von 1984 eingefügt.

2-5 Wie ein Herold die Bürger einer Stadt auf den Marktplatz ruft, um seines Königs Willen zu verkünden, so ruft der Psalmist allen Völkern seiner Zeit zu, ihm ihr Gehör und ihre Aufmerksamkeit zu schenken. Ganz egal, ob es einfache Bürger sind oder die oberen Zehntausend, egal ob sie arm sind oder reich, so bedeutungsvoll ist die Botschaft, dass alle miteinander hören sollen, was der Psalmdichter zu sagen hat:

Die Weisheit, die er in einem Sprichwort, dem er aufmerksam lauschte, vernommen und in seinem Herzen bewegt hat, will er in verständlicher Weise darlegen. Es ist die Antwort auf eine rätselgleiche Frage, die ihm dabei in den Sinn gekommen ist. Und diese Frage ist es, die er zur Musik der Harfe beantworten will.

6-7 Die Frage lautet: "Warum sollte ich mich in schlechten Zeiten fürchten? Warum sollte ich mich fürchten, wenn ich von der Bosheit meiner Feinde umgeben bin? Von prahlerischen Menschen, die sich auf ihr Vermögen verlassen und viel Wind um ihre Besitztümer machen?"

8-13 Die Antwort des Psalmisten liegt in der Zeit, in der Hilflosigkeit des sündigen Menschen gegenüber Gottes gerechtem Urteil über die Sünde und in der noch unsichtbaren Ewigkeit:

Wieviel Geld sie auch haben mögen, als Lösegeld für's ewige Leben wird es nicht reichen. Kein sündiger Mensch kann eines anderen Sünden sühnen oder ihn - schon gar nicht mit Geld - vor Gott freikaufen von seiner gerechten Strafe, das ist: vom Grab und vom ewigen Tod.

Von diesem Gedanken kann er sich für ewig verabschieden, ist doch offensichtlich, dass alle Menschen sterben müssen. Alle trifft das gleiche Los. Egal ob sie Narren oder Weise waren, ihr Vermögen, mit dem sie sich so brüsteten, können sie nicht mitnehmen, sondern müssen es anderen überlassen.

Vielmehr ist es so, dass, egal wie berühmt sie zu Lebzeiten gewesen sein mochten (selbst wenn ganze Länder nach ihnen benannt worden sein sollten, vgl. NeÜ), sie zu Grabe fahren und sie für immer im Totenreich ihre Heimat haben werden. Der Kehrvers fasst die Antwort des Psalmisten auf die Frage nach dem Sinn der Furcht vor der Bosheit der Mächtigen so brillant zusammen: "Ein Mensch in seiner Herrlichkeit kann nicht bleiben, sondern muss davon wie das Vieh."

14-16 Noch einmal bestätigt der Psalmist das soeben Gesagte, so wichtig ist ihm seine Botschaft: Genau so wird es allen Narren gehen, genau so werden alle Prahlhanse enden: sie werden sterben und ihr Leib wird zerfallen (Luther: "ihr Trotz muss vergehen"). Die Herde ihrer Gräber hütet der Tod, dort müssen sie bleiben. Und schon morgen werden Aufrichtige an ihrer Stelle herrschen.

Doch für die Gottesfürchtigen besteht Hoffnung über den Tod hinaus: Gott selbst wird es sein, der Allmächtige persönlich, der uns aus den Krallen des Todes reißt und unser Leben vom Verderben erlöst. Und, Gott sei Dank!, das ist nun geschehen! Im Markusevangelium lesen wir von Jesus Christus, dem Mensch gewordenen Gott: "Denn ... der Menschensohn ist ... gekommen, ... dass er diene und sein Leben gebe als Lösegeld für viele." (Mk 10:45)

In Seiner Erlösungstat allein liegt unsere Hoffnung auf ewiges Leben, ein Leben, welches uns, befreit von aller Schuld und damit von der Macht des Todes (Röm 8:2, 2Tim 1:10, Hebr 2:14, Offb 20:6) und welches gekrönt wird mit der herzlichen Güte Gottes, der uns bei sich aufnimmt, damit wir, mit herrlichen Wohnungen beschenkt, da sind, wo Er ist, der uns geliebt hat his in den Tod (vgl. Joh 14:2, Joh 17:24).

17-21 In den letzten Versen fasst der Psalmdichter das Gesagte noch einmal zusammen: Es soll uns nicht ärgern, wenn ein Mensch zu großem Wohlstand kommt und sein öffentliches Ansehen wächst. Angesichts der Ausgangsfrage: "Wozu sollte ich mich in schlechten Zeiten fürchten - in Zeiten, wenn ich von der Bosheit prahlerischer Menschen umgeben bin, die auf ihr Vermögen pochen?" ist nun klar: der Mächtige und Reiche, der Prahlhans und Narr wird nichts mitnehmen, wenn er stirbt und auch sein weltlicher Ruhm und sein Reichtum werden ihm nicht ins Grab folgen.

Wohl mag er sich dieses Lebens gefreut und nach dem Motto gelebt haben: "Lass es Dir gut gehen, dann schmeichelt man Dir!" und doch muss er, wie seine Vorfahren, sterben und sind in ihrer Gottlosigkeit für immer und ewig abgeschnitten von Christus, dem Licht der Welt und des Lebens (Joh 8:12).

Noch einmal bringt es der Kehrvers auf den Punkt: Solche Menschen sind am Ende ihres Lebens nicht besser daran, als das Vieh. Und dann gilt endlich, was schon Salomo sagte: "dem Menschen, der ihm gefällt, gibt [Gott] Weisheit, Verstand und Freude; aber dem Sünder gibt er ..., dass er sammle und häufe und es doch dem gegeben werde, der Gott gefällt. Auch das ist eitel und Haschen nach Wind." (Pred 2:26)


Fragen und Anregungen zur praktischen Anwendung
  • Gibt es gottlose Menschen in Deinem Leben, die Dich bedrängen und ängstigen?
  • Vertraue auf Gott, der Dich erlöst hat und aus Liebe zu Dir am Kreuz Sein Leben ließ.
  • Und sieh auf das Ende der Geschichte in der Herrlichkeit: Sieh auf zu Christus, "den Anfänger und Vollender des Glaubens, der um der vor ihm liegenden Freude willen die Schande nicht achtete und das Kreuz erduldete und sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones Gottes." (Heb 12:2, ELB)

Sonntag, 22. November 2015

Von Ehe, Ehescheidung, Ehelosigkeit (Mt 19:1-12)


Text

1 Und es begab sich, als Jesus diese Reden vollendet hatte, daß er sich aufmachte aus Galiläa und kam in das Gebiet von Judäa jenseits des Jordans; 2 und eine große Menge folgte ihm nach, und er heilte sie dort. 3 Da traten Pharisäer zu ihm und versuchten ihn und sprachen: Ist's erlaubt, daß sich ein Mann aus irgendeinem Grund von seiner Frau scheidet? 4 Er aber antwortete und sprach: Habt ihr nicht gelesen: Der im Anfang den Menschen geschaffen hat, schuf sie als Mann und Frau 5 und sprach (1. Mose 2,24): »Darum wird ein Mann Vater und Mutter verlassen und an seiner Frau hängen, und die zwei werden ein Fleisch sein«? 6 So sind sie nun nicht mehr zwei, sondern ein Fleisch. Was nun Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden! 7 Da fragten sie: Warum hat dann Mose geboten, ihr einen Scheidebrief zu geben und sich von ihr zu scheiden? 8 Er sprach zu ihnen: Mose hat euch erlaubt, euch zu scheiden von euren Frauen, eures Herzens Härte wegen; von Anfang an aber ist's nicht so gewesen. 9 Ich aber sage euch: Wer sich von seiner Frau scheidet, es sei denn wegen Ehebruchs, und heiratet eine andere, der bricht die Ehe. 10 Da sprachen seine Jünger zu ihm: Steht die Sache eines Mannes mit seiner Frau so, dann ist's nicht gut zu heiraten. 11 Er sprach aber zu ihnen: Dies Wort fassen nicht alle, sondern nur die, denen es gegeben ist. 12 Denn einige sind von Geburt an zur Ehe unfähig; andere sind von Menschen zur Ehe unfähig gemacht; und wieder andere haben sich selbst zur Ehe unfähig gemacht um des Himmelreichs willen. Wer es fassen kann, der fasse es!


Kommentar

Zusammenfassung

Mitten in einen sicher kräftezehrenden Heilungsdienst hinein platzen die Pharisäer, verstockt und blind, mit der sophistischen Frage danach, ob ein beliebiger Grund ausreiche, sich scheiden zu lassen. Jesus erläutert Gottes Schöpfungsordnung, die Mann und Frau als untrennbare Einheit schuf. Den trotzigen Verweis der Pharisäer auf die Scheidungsworte des Mose pariert Jesus mit dem erneuten Verweis auf die Schöpfungsordnung und der klaren Lehre, das wer die Treue bricht, die Ehe bricht. Seinen Jüngern, erschreckt von den möglichen 'Kosten' einer Ehe, erläutert er, dass die Wahl der Ehelosigkeit nicht in der Macht des Menschen allein steht.


Struktur

1-2 Unterwegs ins Judäa östlich des Jordans heilt Jesus die ihm folgende Menge. 

3 Inmitten des Heilungsdienstes versuchen die Pharisäer ihn mit einem lieblosen Sophismus bezüglich der Untergrenze eines hinreichenden Scheidungsgrundes

4-6 Jesus verweist - weit vor die Zeit des Gesetzes - auf das Wesen der Schöpfung: Mann und Frau sind eine gottgeschaffene Einheit die der Mensch nicht trennen darf.

7 Unbeeindruckt von Gottes Lehre fragen die Pharisäer, verstockt und blind, nach dem Grund für das Gesetz des Mose, dass sie als ein Gebot auffassen (wollen).

8-9 Jesus zeigt ihnen klar, dass Moses Worte ein Zugeständnis an eine gefallene Welt sind; nicht jedoch Gottes Schöpfungswille. Daher bricht jeder, der aus einem anderen Grund als Untreue seine Frau verlässt und eine andere heiratet, die Ehe.

10 Dies schreckt die Jünger bis zur irrigen Annahme, es sei besser allein zu bleiben.

11-12 Ehe und Ehelosigkeit jedoch unterliegen nicht dem Willen des Menschen allein, sondern benötigen eine entsprechende Gnadengabe Gottes


Inhalt

1-2 Nach den Ermahnungen über den Hochmut und die Verführung zum Abfall, den Ermutigungen, den Verlorenen nachzugehen und die Sünder zurechtzuweisen und dem abschließenden Gebot der grenzenlosen Vergebung gegenüber den Reuigen, verlassen Jesus und Seine Jünger das galiläische Kapernaum am See Genezareth und reisen in die Gegend östlich des Jordans. Dieses "Judäa jenseits des Jordans" war ein Gebiet in dem, seit der Rückkehr aus dem Babylonischen Exil, vor allem konservative Juden lebten. 

Doch nicht allein wandern Jesus und seine Schüler durch das Land. Vielmehr folgt ihnen, von eigenen Nöten und der Hoffnung auf Linderung durch die Liebe Gottes getrieben, eine große Menschenmenge. Und Jesus nimmt sich ihrer an und heilte sie dort.


3 Mitten in diesen erschöpfenden Liebesdienst hinein platzen die Pharisäer mit ihrer arglistigen Sophisterei. Zwar wurden die konservative Position des Rabbi Shammai (der eine Scheidung nur bei Ehebruch zuließ) und die extrem liberale Position des Rabbi Hillel (demzufolge bereits ein verbranntes Stück Brot einen hinreichenden Grund zur Scheidung darstellte), tatsächlich in pharisäischen Kreisen disputiert. 

Doch es ist nicht die aufrichtige Suche nach Wahrheit, die sie treibt, sondern die gleiche arrogante Gesinnung, gegen die sich Jesus schon in der Wüste - gegen den Satan selbst - mit dem Wort aus 5.Mose 6,16 verwehrte: »Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen.« (Mt 4,7)
Bereits mit ihrer Wortwahl machen die Pharisäer dabei klar, wo sie stehen und wohin ihre Frage zielt: reicht nicht tatsächlich bereits ein beliebiger Grund zur Scheidung? Und wie könnte Jesus hier widersprechen wollen, scheint doch die Schriftlage klar? Was soll Christus also übrig bleiben, als ihre Theologie vor der Menge zu rechtfertigen oder sich selbst öffentlich ins Unrecht zu setzen?


4-6 Christus aber, unser souveräner Heiland, bleibt von solcher List gänzlich unbeeindruckt. Er lässt sich nicht auf das sophistische Glatteis ihrer falschen Alternativen zerren, um dort zu Fall zu kommen. Vielmehr findet Er im Wort Gottes, welches allein in der Liebe die rechte Auslegung erfährt, die erhellende Wahrheit. 

Nicht erst bei Mose fängt er dabei an, welcher dem Volk Gottes, um des bereits geschehenen Sündenfalls willen, das Gesetz brachte. Vielmehr verweist er die Pharisäer in ihrem Studium der Schrift zurück bis an den Anfang der Schöpfung. Nur hier, im Paradies, wird wirklich klar und deutlich, was der ursprüngliche Wille Gottes war und - Gott ist unwandelbar! - immer noch ist.

Als der Allmächtige den Menschen schuf, da schuf er ihn nicht als Mann allein. Er schuf ihn als Paar, als Mann und Frau. Diese Zusammengehörigkeit, das Wesen der Schöpfung Gottes also, ist der antreibende Grund, warum ein Mann sein Elternhaus verlässt, um sich mit seiner Frau in Liebe fest zu verschweißen. So fest, dass es für die Liebenden - und hier spielen die Einheit auf allen Ebenen, körperlich, seelisch, geistig und geistlich eine Rolle - nicht mehr auszudenken ist, in Kategorien wie "Du" und "ich" allein zu denken, sondern was mit der Ehe entstanden ist, ist eine unverbrüchliche Einheit. Wo Gott in seinem Schöpfungswillen die liebenden Eheleute aber so fest ineinander verschweißt hat, da hat kein Mensch das Recht, willkürlich eine Trennung herbeizuführen, die das nun Einsgewordene gewaltsam zerbrechen würde.


7 Doch die Pharisäer in ihrer Verbohrtheit sind nicht bereit, durch Christus von Gott selbst zu lernen sondern fragen trotzig zurück. An ihnen wird die traurige Wahrheit sichtbar, dass ihre Herzen und Sinne verstockt sind, ja eine Decke auf ihren Augen liegt, die sie blind macht für die Erkenntnis (2Kor 3,14, Eph 4,18), und ihren Verstand verfinstert; weil sie die Wahrheit durch Ungerechtigkeit niederhalten (Röm 1,18). Sie sind wie die, denen Paulus in Apg 28,26-27 das Gerichtswort aus Jesaja vorhält: »Geh hin zu diesem Volk und sprich: Mit den Ohren werdet ihr's hören und nicht verstehen; und mit den Augen werdet ihr's sehen und nicht erkennen. (Jes 6,9-10) Denn das Herz dieses Volkes ist verstockt und ihre Ohren hören schwer und ihre Augen sind geschlossen, damit sie nicht etwa mit den Augen sehen und mit den Ohren hören und mit dem Herzen verstehen und sich bekehren, und ich ihnen helfe.« Statt durch die Worte ihres Herrn an der Betrachtung des Werkes ihres Schöpfers etwas zu lernen fragen sie frech zurück: "Warum hat dann ein Mensch geboten, sich zu scheiden und ihr eine Scheidungsurkunde zu geben?"


8-9 Auf diese unverschämte Gegenfrage hin macht Jesus ihnen unmissverständlich klar, dass, was Mose schrieb, kein Gebot war, dessen Einhaltung etwa noch zur Gerechtigkeit führte, sondern vielmehr eine Art Zugeständnis; nur gegeben um der mangelnden Liebe und Vergebungsbereitschaft des Volkes willen, ja gerade wegen dieser Hartherzigkeit, die in der Fragestellung der Pharisäer so unverhüllt ans Licht kommt.
Und noch einmal weist Christus darauf hin: der Schöpfungswille Gottes hatte anderes im Sinn: eine lebenslange unverbrüchliche Gemeinschaft in Liebe. Solche schöpfungsgemäße Gemeinschaft ist ein großes Geheimnis, die über sich selbst hinaus auf Gott hinweist und auf Seine Liebe und unverbrüchliche Treue gegenüber seiner Gemeinde (1Kor 1,8-9, Eph 5,21-32, inbes. Eph 5,32). Der äußerlich geschlossene Bund der Ehe ist damit nur ein äußerliches und sichtbares Zeichen für dies innere und unsichtbare Geheimnis des Bundes der Liebe und Treue, das ein Bild ist für die unwandelbare Liebe Gottes zu Seiner Kirche. 

Wer also aus Hartherzigkeit oder irgend einem anderen Grund den äußerlichen Bund auflöst, ohne dass der innere zerbrochen wäre, der zerbricht jenen mit Gewalt: weil er die Fülle ehelicher Gemeinschaft einem Anderen schenkt und damit das Herz des Zurückbleibenden bricht, zerbricht er den innerlichen Bund; das, was Gott zusammengefügt hat. Als einzige Ausnahme von diesem schöpfungsgemäßen Sachverhalt nennt Christus dies: nur, wo der innerliche Bund bereits durch Untreue zerbrochen wurde, ist die Auflösung des äußeren Zeichens nicht als Ehebruch zu werten.


10 Wohl wissend, was in der Lebenszeit einer Ehe zwischen zwei Sündern - außer einem Ehebruch - noch alles vorfallen kann, sind die Jünger über die Aussicht, in anderen Fällen als dem Ehebruch, an den Ehepartner gekettet und zur Vergebung und Versöhnung verpflichtet zu sein, wenig begeistert. Ihnen scheint es, dass der Wert einer Ehe unter diesen Bedingungen unter den Wert des dafür zu bringenden Opfers sinkt und kommen zu dem Schluss, es sei dann wohl klüger, gar nicht erst zu heiraten, als sich auf das Risiko einer Ehe einzulassen.


11-12 Jesus jedoch weiß, dass nicht jedem die Gottesgabe der Ehelosigkeit mit auf den Lebensweg gegeben ist und dass sich die Jünger an dieser Stelle, im Glauben, sie könnten aus eigener Kraft ohne Ehe bleiben, sehr irren. Denn nicht ohne Grund schreibt Paulus einige Jahrzehnte später den Korinthern diese Warnung: "Wenn sie sich aber nicht enthalten können, sollen sie heiraten; denn es ist besser zu heiraten, als sich in Begierde zu verzehren." (1Kor 7,9)

Und so erklärt Jesus seinen Jüngern, dass es nicht in der Macht eines Menschen steht, zu entscheiden, ob er heiraten wolle oder nicht. Vielmehr ist die Antwort auf diese Frage davon abhängig, ob ein Mensch zur Ehe fähig ist oder nicht. Die zur Ehe Unfähigen teilt Jesus in drei Gruppen: Die von Natur aus Zeugungsunfähigen. Die gewaltsam Entmannten. Und die, die um Gott zu dienen, fest entschlossen sind, ihre Natur zu züglen. Dieser Entschluss jedoch ist nicht jedem möglich, denn dazu braucht es eine Gottesgabe.

Dass die Frage der Ehelosigkeit nicht allein durch die Macht der Entscheidung des Menschen getroffen werden kann ist, wie Jesus weiß, nicht für jeden Menschen nachvollziehbar. Dies fassen im Tiefsten nur die, die aus Gottes Gnaden die Gabe dazu erhalten haben. Diese jedoch fordert Jesus umso nachdrücklicher auf, eben dies zu begreifen: dass die Frage der Ehe oder der Ehelosigkeit nichts ist, was der Mensch ganz ohne Gottes Gnade für sich allein entscheiden könnte.


Fragen und Anregungen zur praktischen Anwendung
  • Bist Du - aus welchem Grund auch immer - versucht, die Ehe zu brechen?
  • Willst Du nicht lieber mit Gottes Hilfe vergeben lernen, was zu vergeben ist?
  • Wo Du Dich ganz Gottes Reich hingeben willst: bist Du von Gott dazu begabt?

Sonntag, 11. Oktober 2015

Gottes Stadt (Ps 48:1-15)


Text

1 "Ein Psalmlied der Söhne Korach." 2 Groß ist der HERR und hoch zu rühmen in der Stadt unsres Gottes, auf seinem heiligen Berge. 3 Schön ragt empor der Berg Zion, daran sich freut die ganze Welt, der Gottesberg fern im Norden, die Stadt des großen Königs. 4 Gott ist in ihren Palästen, er ist bekannt als Schutz. 5 Denn siehe, Könige waren versammelt und miteinander herangezogen. 6 Sie haben sich verwundert, als sie solches sahen; sie haben sich entsetzt und sind davongestürzt. 7 Zittern hat sie da erfasst, Angst wie eine Gebärende. 8 Du zerbrichst die großen Schiffe durch den Sturm vom Osten. 9 Wie wir es gehört haben, so sehen wir es an der Stadt des HERRN Zebaoth, an der Stadt unsres Gottes: Gott erhält sie ewiglich. "SELA". 10 Gott, wir gedenken deiner Güte in deinem Tempel. 11 Gott, wie dein Name, so ist auch dein Ruhm bis an der Welt Enden. Deine Rechte ist voll Gerechtigkeit. 12 Dessen freue sich der Berg Zion, und die Töchter Juda seien fröhlich, weil du recht richtest. 13 Ziehet um Zion herum und umschreitet es, zählt seine Türme; 14 habt gut Acht auf seine Mauern, / durchwandert seine Paläste, dass ihr den Nachkommen davon erzählt: 15 Wahrlich, das ist Gott, unser Gott für immer und ewig. Er ist's, der uns führet.


Kommentar

Zusammenfassung

Der dritte und letzte Lobpsalm der Dreierkette der Psalmen 46-48 preist die Stadt Gottes, welche von Gott selbst bewohnt und daher herrlich und schön ist und die allein durch Ihn bewahrt und erhalten wird. Er, der Ewige, verleiht ihr durch Seine Präsenz seine Herrlichkeit und macht sie so zum Sinnbild Seiner Majestät.


Struktur

1 Auch dieser Psalm wurde von den Korahleviten verfasst.

2-4 Vor allem darum ist Jerusalem für alle Welt bewundernswert, weil Gott, der HERR, ihr ruhmreicher Großkönig, sie mit Seiner Anwesenheit ehrt und auch schützt.

5-9 Die unerwartete Gegenwart Gottes - auch damals erkennbar, wie in der Überlieferung - überraschte seine Belagerer mit Schrecken; sie wurden zerbrochen, wie Schiffe im Sturm.

10-12 Diese schützende Güte Gottes und Seine Gerechtigkeit, sie sind der Ruhm Gottes, der, angefangen in Jerusalem, hinaus reicht bis an die Enden der Welt und dessen seine Kinder in Seinem Tempel gedenken.

13-15 Das Psalmende ruft zur aktiven Achtsamkeit: diesen guten, ewigen und uns leitenden Gott im Angesicht Jerusalems zu entdecken und der Nachwelt davon zu erzählen.


Inhalt

1 Auch dieser Lobgesang, der dritte und letzte der Dreierkette der Psalmen 46-48, wurde von den Korahleviten verfasst. Psalm 46 pries die Errettung des Volkes und der Stadt Gottes durch Sein wunderbares Eingreifen. Psalm 47 pries die Herrlichkeit Seiner Gnadenherrschaft über letztlich alle Völker. Und Psalm 48, endlich, preist den Ruhm des Königs der Könige im Angesicht der Schönheit der von Ihm bewohnten und bewahrten Stadt.


2-4 Es ist nicht die Stadt an sich, die allein um ihrer selbst hoch zu loben wäre und so legen die Psalmisten den Fokus, gleich zu Beginn dieses Psalms, auf den Ewigen selbst, der sie bewohnt. Er ist es, Er allein, der wirklich wahre Größe besitzt - Größe des Herzens und nicht nur der Macht - der deshalb allein und wahrhaft würdig ist, "Ehre und Preis und Lob" Seines Volkes entgegen zu nehmen (Offb 5,12).
Darum also ist die Stadt Jerusalem zu loben: nicht allein wegen ihrer Architektur oder ihrer Ästhetik, sondern weil es *Gottes* Stadt ist. Nicht allein David und Salomon regierten hier. Die Paläste der Stadt sind insbesondere *Gottes* Wohnsitz, ja die ganze Stadt ist *Sein* Eigentum. *Er* ist der wahre Großkönig, der hier residiert und die Stadt beschützt. *Er*, der König der Könige; in Jerusalem, der besungenen Stadt. 

Auf dem Berg Gottes, dem Zion ist sie gegründet, der herrlichen und erhebenden Schönheit, die im Norden Judas empor ragt; im Norden, der in damaliger Vorstellung mit größter Höhe verbunden wurde. So entzückt sind die Psalmisten, dass sie ihre Freude - vielleicht auch, wie in der prophetischen Schau der vollendeten Heidenmission in Psalm 47 - als eine die ganze Welt begeisternde sehen.


5-9 Es ist unklar, von welcher Belagerung in diesem Psalm die Rede ist, doch ist es, wie auch in Psalm 46, nicht ausgeschlossen, dass hier die Belagerung im Jahre 701 v. Chr. durch die Assyrer angedeutet ist. Sanherib, der König von Assur und seine Großen waren gegen Jerusalem gezogen und hatten es eingekesselt. Es schien ihnen eine Stadt zu sein, zwar gut befestigt, jedoch nicht uneinnehmbar. 

Doch war sie, wider ihr Erwarten, nicht allein von Menschen bewohnt. Angesichts des Eingreifens Gottes - des Herren der Stadt, ihres Schutzes - fielen in einer Nacht 185.000 Mann. Dieses Schrecknis veränderte den Blick der Heiden auf die Stadt Gottes: Verwunderung ergiff sie und Entsetzen, Angst und Zittern - und sie flohen in überstürtzter Hast und Eile davon (siehe 2Chr 32:9-23, 2Kö 18-19; Jes 36-37). Wie die großen Tarsisschiffe, damals Symbole und Inbilder von Handel, Reichtum und Macht, durch einen Orkan zerbrechen und sinken konnten, so zerbrach der Sturm des Zornes Gottes die Macht der Feinde Jerusalems. 

So, wie diese Begebenheit den folgenden Generationen durch die Lesungen aus den Büchern der Geschichte hörbar überliefert wurde, so wurde sie ihnen auch im Anblick von Jerusalem bestätigt: sie ist die Stadt des Ewigen, die Stadt Gottes, des Königs des Volkes Israel und sie wird allein durch Ihn bewahrt in alle Ewigkeit.


10-12 Dieser erfahrenen und sichtbaren Hilfe seines Gottes erinnert sich das Volk während der Gottesdienste im Tempel: Groß und herrlich, wie Sein Name, so sind auch Sein Ruhm und Seine Ehre ohne Grenzen und reichen bis an die Enden der Welt. Das in Seiner Hilfe sichtbar werdende Wesen Gottes ist es, Sein Recht und Seine Gerechtigkeit mit denen er herrscht, sind die Grundlage für die Freude der Stadt Gottes auf dem Berge, die Stadt des Volkes Gottes und alle Städte in Juda, die gleichsam dessen Töchter heißen. 

13-15 Diesen Blick wollen die Psalmisten uns schärfen, den Blick für den Ruhm und die Ehre Gottes, die in Seinem Heilshandeln und Seiner gerechten Herrschaft über die Menschen deutlich werden; den Blick für den Ruhm und die Ehre, die durch die Schönheit der Mauern und Türme Jerusalems hindurch, angesichts der von Gott bewohnten und bewahrten Stadt, sichtbar werden. Jeder Gang durch die Stadt und jeder Blick auf die Anzahl seiner Zinnen, jede Wanderung - mit achtsamem Herzen - durch die Majestät seiner Paläste soll das Volk daran erinnern. Von dem, was sie an Jerusalem und seiner Geschichte erkennen, von dem, was sie dadurch von Gottes Wesen erkennen und lernen, sollen sie auch noch ihren Enkeln und Urenkeln weiter sagen: Dieser gute und gerechte Gott, dieser Helfer in der Not, dieser Hüter und Bewahrer der Stadt, dieser Hirte, der uns ans frische Wasser führt, das ist unser Gott, von heute an und bis in alle Ewigkeit.


Fragen und Anregungen zur praktischen Anwendung
  • Bist Du - ist Dein Leben - vom Feind belagert und bedroht?
  • Sind Dir die Gegenwart und der Schutz Gottes, Deines großen Königs, heute bewusst?
  • Achte auf Details und Du wirst erkennen: Er ist bei Dir "alle Tage, bis an das Ende der Welt"

Sonntag, 27. September 2015

Warum und wie Hochmut blind macht

Warum dieser Artikel?

Gerade heute wieder musste ich eine Erfahrung machen, die mich sehr schmerzte. Eine Erfahrung, die mich an bereits Bekanntes erinnerte und mich aufs Neue lehrte, was es mit den gesunden und auch ungesunden Formen der Kommunikation auf sich hat. Darüber, was die Grundvoraussetzungen für Kritikfähigkeit und damit für Buße und echte Umkehr sind. 

Diese Erfahrung möchte ich teilen. Denn es scheint mir grundlegend wichtig, die Mechanismen zu durchschauen, mit denen der Feind Gottes uns davon abhalten will, uns selbst im Lichte Gottes zu erkennen und das zu tun, was für den Erhalt Seiner allein lebensspendenden Gnade Grundvoraussetzung ist: Die Erkenntnis unserer Sünden. 

Ich möchte beleuchten, welches systematische Kommunikationsverhalten dazu geeignet ist, das Licht der Wahrheit - über die Wirklichkeit um uns herum aber auch über die Wirklichkeit unsere Fehler in uns selbst - von uns fern zu halten. Und zwar auf eine Weise, die es, zumindest für den Betroffenen, sehr schwierig, wenn nicht gar unmöglich, macht, sie zu durchschauen. Weil sich alles so richtig anfühlt.

Doch der Reihe nach. Was war geschehen? Und welche Erkenntnisse ergeben sich aus dieser Begebenheit? Und inwiefern sind diese für uns alle von Belang?


Der Anlass

Der Anlass war simpel: der Inhaber einer frequentierten christlichen Facebookseite lehnte einen von mir angemeldeten Blogbeitrag ab. Dabei ging es um einen, in dem rennomierten "Tabletalk" Magazin erschienenen und von mir übersetzten Artikel von R.C. Sproul jr., dem Sohn des Gründers des weltweit operierenden Werkes 'Ligonier Ministries' und dem 'Reformation Bible College', welche es sich zum Ziel gesetzt haben, die Herrlichkeit Gottes möglichst vielen Menschen nahe zu bringen.

Warum mich das schmerzte? Wer nun glaubte es läge daran, weil der von mir - mit ach so viel Mühe übersetzte - Artikel nicht gepostet wurde, dem ginge es so, wie dem Inhaber der Facebookseite: er läge falsch.

In dem Artikel mit dem Titel "Von der Gefahr des Hochmuts in theologischer Rechthaberei" (nachzulesen hier) geht es um den Hochmut der Besserwisserei - gerade auch in der Theologie. Ich hatte ihn - mein erster Fehler - auf eben dieser Facebookseite posten wollen, weil mir der Inhaber durch sein von sich selbst in unguter Weise überzeugtes, rechthaberisches und allem Anschein nach unkorrigierbares Verhalten gegenüber anderen Mitgliedern dieses Forums aufgefallen war. 

Natürlich hatte ich damit gerechnet, dass der Artikel nicht zur Veröffentlichung freigegeben werden würde. Doch hatte ich - mein zweiter Fehler - zumindest darauf gehofft, mit dem Betreiber der Seite daraufhin in einen Dialog treten zu können, der, wie ich mir wünschte, am Ende vielleicht doch dessen Einsicht, Reue, Umkehr und Busse, also seine Heiligung zum Ziel haben könnte.


Der Verlauf

Doch weit gefehlt: Was sich aus meiner Nachfrage nach der Begründung für die Ablehnung meines Posts ergab, war mehr als nur ernüchternd. Es war erhellend. Schmerzhaft, aber erhellend. 

Schmerzhaft, weil es mir erneut die Unmöglichkeit vor Augen hielt, einen Dialog zu führen, in dem die Kommunikation von den hier noch im Detail aufzuzeigenden Mängeln geprägt ist. Schmerzhaft, weil diese Mängel es mir unmöglich machten, einem Menschen zu einer gewinnbringenden Erkenntnis zu verhelfen; zu einer womöglich lebenswichtigen Erkenntis. Schmerzhaft auch, weil dieser Prozess von Unterstellungen, Beleidigungen und irrigen Behauptungen nur so strotzte. Und erhellend, weil mir - noch klarer als bisher - deutlich wurde, mit welchen Finten uns der Feind ins Bockshorn jagt und uns für die Erkenntnis der Wahrheit verblendet.

Dabei fing alles ganz harmlos an. In der initialen Antwort auf meine Frage, warum der Artikel nicht gepostet wurde, waren unter anderem folgende Aussagen zu lesen: "Der Artikel ist per se nicht schlecht. Das Problem ist nur. Mit dieser Argumentation kann man auch jegliche biblische Diskussion totschlagen und das erlebe ich seit Jahren regelmäßig sowohl im Internet als auch im realen Leben." Dann folgte die Begründung, dass "ich diese Argumentation nicht so übernehmen kann obwohl sicher richtige Aspekte dabei sind. ... Der Artikel könnte hier verunsichern weil es ohnehin schwer ist gesunde Lehre in der heutigen Zeit richtig rüberzubringen."

Wer den Artikel gelesen hat - und ich bitte meine Leser, dies zu tun - wird schnell feststellen, dass es in dem Artikel beileibe nichts gibt, was verunsichern könnte. Auch nichts, was einen etwa falschen Aspekt beinhalten würde, der dazu geeignet wäre, die gesunde Lehre zu trüben. Es wird ihn ihm lediglich sehr klar aufgezeigt, wie heimtückisch der Feind Gottes ist, indem er selbst noch unser Bemühen um theologische Korrektheit mit der Sünde des Hochmuts verdirbt. 

Ein sehr ernüchternder, demütigender und lehrreicher Artikel also.

Meine Rückfrage, was denn konkret an dem Artikel "verunsichernd" sei oder gar "falsche Aspekte" beinhalte, stellte ich dabei nicht "einfach so", sondern stellte, um eine gemeinsame Basis herzustellen, erst einmal unsere Gemeinsamkeiten heraus: die Liebe zum Wort Gottes, das Faktum, dass biblische Lehre heutzutage nicht mehr allerorten gern gehört wird und meine Bestätigung der Überzeugung meines Gegenübers, dass es zuweilen auch notwendig ist, Korrektur zu üben. Allein darauf wies ich hin, dass - meiner Erfahrung nach und auch im Einklang mit der Schrift - alle Korrektur in Liebe und Demut zu geschehen habe, nicht in besserwisserischem Hochmut, wie es ja auch der zur Veröffentlichung angefragte Artikel selbst es schon beinhaltete und wie ich es in seinen Antworten auf seiner Facebookseite schon zu lesen vermeint hatte.

Meine Fragen waren klar und bezogen sich dabei auf die Ermittlung von Fakten: Inwiefern der Betreiber der Seite in dem von mir geposteten Artikel eine Gefahr sehe? Und welche spezifischen Gedanken oder Aussagen des von mir übersetzten Artikels mein Gegenüber denn konkret als geeignet betrachte, Menschen zu verunsichern oder gar in eine unbiblische Irre zu leiten?

Die erste Antwort auf diese Fragen war noch sachlich, lenkte aber von den Fragen ab und suchte - mit der Frage, wer die Kirchenväter seien (die ich unter anderem mit dem Namen 'Augustin' beantwortete) - einen Nebenkriegsschauplatz zu eröffnen. Ich blieb jedoch beständig und bat, im Sinne des Dialoges, nochmals höflich und herzlich um die Klärung der noch offenen Fragen. 

Was dann folgte war, gelinde gesagt, interessant: Das Spektrum der Antworten reichte von belehrenden Imperativen "Also wachse im Wort und lerne das was du gelernt hast zu behalten..." bis hin zu noch weiter vom Thema (wir erinnern uns an die eigentlichen Fragen: "Was konkret an dem Artikel ist verunsichernd?" "Oder gar zur Irreführung geeignet?") ablenkenden Behauptungen, wie "Augustin ist ein Irrlehrer und ... hat den Startschuss für satanische Irrlehren gegeben ... für mich ist er kein Kirchen Väter eher ein Irrlehrer des Teufels" und gipfelte in der daraus abgeleiteten Begründung "deswegen veröffentliche ich solche scheinheiligen Ausführungen nicht". Was also zu Anfang noch ein Artikel war, der "per se nicht schlecht" ist, war nun in den Augen meines Gegenübers bereits zu "scheinheiligen Ausführungen" mutiert. 

Nach einer kurzen Klarstellung meiner sehr hohen Sicht von Augustinus (mit dem Verweis auf die grundlegende Biblizität seiner Lehre und vor allem der Vorbildlichkeit seiner, Gott über alles liebenden, Frömmigkeit) machte ich nochmals auf meine Intention aufmerksam und wies darauf hin, dass meine Fragen nicht ohne Grund gestellt seien, sondern ich vielmehr überzeugt sei, dass sich in dem betreffenden Artikel nichts widerbiblisches finden lasse. Und bat nochmals höflich um Beweise anhand von Zitaten und diesen widersprechenden Belegen aus der Heiligen Schrift. Auch verlieh ich meiner zunehmenden Sorge um die Korrigierbarkeit der Ansichten meines Dialogpartners Ausdruck.

Nun wurde der Ton schärfer: Meine Worte wurden als "Unsinn" hingestellt und dieser "Unsinn" dann (obwohl ich gar nicht mehr danach gefragt hatte) als neueste Begründung für die Nichtveröffentlichung des Artikels verwendet. Inzwischen schien meinem Gegenüber klar, wer ich sei: Worte, wie "Oberlehrer", "Heuchelei" und "Lüge" kamen ins Spiel, gekrönt von dem Vorwurf, der "Gesetzlichkeit" vorschub leisten zu wollen.

Unter Gebet mühte ich mich weiter um Liebe, Demut und Wahrhaftigkeit und wies auf die Tatsache hin, dass meine Fragen noch immer nicht beanwortet seien und dass, neben immer neuen (und großteils unhaltbaren) Behauptungen, nun auch noch Beleidigungen und Unterstellungen hinzugekommen seien, gegen die ich mich - noch immer höflich und unter Hinweis auf mein wahres Wesen - verwehrte. 


Das Problem 

An dieser Stelle wurde mir klar, wo eigentlich das kommunikatorische Problem lag: Es lag nicht in unserem Willen zum Dialog. Auch nicht daran, dass der eine nicht hätte verstehen können, was der andere sagte. 

Das Problem lag tiefer: es lag in der dem Dialog zugrunde liegenden Systematik.

Aus Vermutungen, Hypothesen und Annahmen wurden - ohne weitere Prüfung - in den Augen meines Gegenübers Fakten. Statt konkreter Antworten kamen weitere Behauptungen. Und aus den Behauptungen wurden - wieder ohne weiteres Zutun - in den Augen meines Gegenübers Beweise. Und so wurde der Dialog quasi zum diadischen Monolog. Wir redeten aneinander vorbei. Jeder von uns am anderen.

Die Schwierigkeit scheint mir dabei eine epistemologische zu sein. Und genau hier setzt der Feind an: indem er uns die Wahrheit verdunkelt und damit die Erkenntnis. Und zwar nicht nur die Erkenntis des wahren Gegenstandes des Dialoges. Sondern auch und vor allem die Selbsterkenntnis darüber, dass mir eben diese Wahrheit verdunkelt ist. 

Unser Feind ist dabei so gerissen, dass er uns auch noch dieses Faktum, diese mangelnde Erkenntnis unserer Blindheit, mit einem Pseudo-Wissen verdeckt. Wir haben doch schließlich unsere eigenen Hypothesen klar erkannt? Schließlich haben wir doch allen Grund für unsere Behauptungen? Wozu noch Fragen beantworten, wenn alles so klar scheint?

Und hier liegt die Crux. Wie schon Wittgenstein sagte: "Wahrheit ist alles, was der Fall ist." Wahrheit ist immer kongruent mit der Realität. Wahrheit beruht auf Fakten, nicht allein auf Eindrücken oder Vermutungen. Wahrheit aber erschließt sich uns durch Fragen, auf die Antworten gefunden werden, nicht durch Eindrücke oder Meinungen, die als Fakten gesetzt werden.

Wo ein Dialog jedoch die Fragen des Gegenübers nicht mehr wahrnimmt, sondern sich in immer neuen Behauptungen ergeht, die in der jeweiligen Vorstellungswelt nur als Annahmen ihren Grund haben, nicht aber in der faktischen Realität, kann keine Erkenntnis mehr geschehen. Ja, nicht einmal mehr der Beweis dieses Mangels ist möglich - denn auch dieser müsste sich ja auf Fakten stützen. Fakten die - ob in Form von Fragen und Antworten oder in Form des Beweises von Behauptungen - sich dem Zugriff des Verblendeten entziehen: Wozu noch Antworten oder Beweise, wo doch die eigene Welt schon fertig scheint? 

Statt Frage und Antwort, Gegenfrage und Gegenantwort, statt These und Antithese und letztendlich Synthese, biegt der Dialog nach der Frage ab und ergießt sich in Behauptungen. Behauptungen, die sich aus der eigenen Vorstellungswelt speisen durch Vermutungen, Annahmen, Hypothesen und Ideen. Behauptungen, die, nach dem Beweis ihrer Faktizität befragt, nur noch weitere Behauptungen zur Antwort bekommen. Der Dialog dreht sich nicht einmal mehr im Kreis sondern verhindert sich selbst.

Das Wesentlichste aber ist: auf diese Weise ist es unmöglich! zweierlei zu erkennen: die Fehlerhaftigkeit der eigenen Schlüsse als auch die Fehlerhaftigkeit der eigenen Annahmen. Und so ist der Mensch ausgeschlossen von der Erkenntnis der Wahrheit  des Gesprächsgegenstandes und von der Erkenntnis der Wahrheit, dass er von dieser Wahrheit ausgeschlossen ist - und hat doch den Eindruck, alles sei beim Besten.


Die Strategie

Somit ist die Strategie des Feindes, die er dazu benutzt, uns zu blenden und uns im Hochmut unserer vermeintlichen Besserwisserei gefangen zu halten, klar:

1. Halte Deine Annahmen, Ideen, Hypothesen und Vermutungen für Fakten
2. Halte Deine darauf basierenden Schlüsse und Behauptungen für Beweise
3. Halte Deine Beweise für Begründung genug, keine Fragen zu beantworten
4. Beantworte keine Fragen sondern stelle immer neue Behauptungen auf
5. Spicke alles (ad hominem!) mit Angriffen auf die Integrität Deines Gegenübers
6. Wenn Dein Gegenüber noch mmer nicht locker lässt: breche den Dialog ab

Ihnen allen zugrunde liegt die Wurzel des Hochmuts: zu meinen, bereits zu wissen, was Faktum ist und es nicht mehr nötig zu haben, sich einem fragenden Dialog zu stellen. Es nicht mehr nötig zu haben, nach der Wahrheit zu suchen. Wie unendlich grotesk solcher Hochmut ist, wird uns vielleicht erst dann klar, wenn wir uns vergegenwärtigen, dass es Jesus Christus selbst war, der von sich sagte, Er sei die Wahrheit in Person (Joh 14,6). 


Fazit

Der Glaube daran also, die Wahrheit bereits so vollständig erkannt zu haben, dass ich mich keiner Frage oder Rückfrage mehr zu stellen brauche, keinem beständigen Suchen nach Fakten, um aus Hypothesen Wissen zu gewinnen, kommt dem Anspruch gleich, den allmächtigen, allweisen und unendlichen Gott selbst verstanden haben zu wollen.

Diese Annahme, dieser Hochmut, macht uns - auf die oben gezeigte Weise - blind. Gott bewahre uns in unseren Gesprächen vor dieser Strategie des Feindes. Gott gebe uns, dass wir demütig genug bleiben, die Fragen unserer Dialogpartner ernst zu nehmen und sie zu beantworten und unsere eigenen Ideen und Annahmen zu hinterfragen - anstatt zu glauben, wir wüssten alle Antworten schon. Denn eben dieser Glaube ist Hochmut und führt nicht ins Licht, sondern in die Finsternis. Er macht uns blind für unsere eigenen Irrtümer und Fehler; im Reich Gottes, das auf Umkehr und Gnade ruht, der folgenschwerste Fehler überhaupt.

Samstag, 26. September 2015

Wie sollen wir mit Flüchtlingen und Asylanten umgehen?

WARUM UND WOZU DIESER ARTIKEL

Warum

Die aktuelle Flüchtlingsdebatte ist in aller Munde. Fragen über Fragen türmen sich auf. Wer soll aufgenommen werden? Wer sollte abgewiesen werden? Gibt es einen Unterschied zwischen Wirtschaftsflüchtlingen und Asylbewerbern aus Krisengebieten? Wie sollen wir mit den sozialen und finanziellen Herausforderungen umgehen?

Wozu

Ziel dieses Artikels ist es, einen Lösungsraum aufzuspannen, der Leitlinien für unsere Entscheidungen bereitstellt und damit Hilfestellungen für unsere ganz persönliche Einstellung und unsere daraus resultierenden, praktischen Entscheidungen zu geben vermag. Im Sinne von Freiheit und persönlicher Verantwortung kann und darf die Entscheidungsfindung keinem einzelnen von uns abgenommen werden. Dieser Artikel will anhand der Heiligen Schrift vielmehr ein Bild von dem zeichnen, wie Gott sich unseren Umgang mit bedrängten Minderheiten vorstellt. 

Allein der Wille Gottes und Sein sich darin für uns offenbarendes Wesen, sollten die Richtschnur für unsere persönlichen Sichten und Aktivitäten sein. Nicht mehr – aber auch nicht weniger. Diesen Willen zu erkennen, um im Alltag ganz praktische Entscheidungen daraus abzuleiten, dazu will dieser Artikel einen Beitrag leisten.


GOTTES WILLE

Gebot

Der Wille Gottes für unseren Umgang mit Flüchtlingen, Asylanten, Ausländern und anderen herausgeforderten Minderheiten, wie Witwen oder Waisen wird schon im Alten Testament mehr als deutlich. Über allem steht das große Gebot der Liebe. Konkret sind wir aufgefordert, diesen von Krieg, Verfolgung und Armut bedrohten Menschen mit der gleichen Liebe zu begegnen, die uns – uns selbst gegenüber – so selbstverständlich scheint (3.Mose 19,34b).

Begründung

Als Begründung für diese Aufforderung – und somit quasi als Motivatoren – halten das Alte und auch das Neue Testament zwei wesentliche Gründe bereit: Zum einen sollen wir unsere uns fremden Mitmenschen lieben, weil Gott selbst sie liebt (5Mose 10:17-19). Zum anderen sollten wir uns immer wieder vergegenwärtigen, dass wir, vor allem als Christen, selbst Ausländer auf unserem Planeten sind (3.Mose 19,34b;  1.Chronik 29,14-16; Psalm 39,13; 1.Petrus 2,11-12).


AUSGESTALTUNG

Doch wie kann diese Liebe praktisch werden? Wie soll sie Gestalt annehmen? Die Antwort auf diese Frage beantwortet die Heilige Schrift mit von Gott verbrieften Rechten und mit den sich für uns aus diesen ergebenden Pflichten.

Rechte

Zum Ersten gilt vor Gott der Grundsatz der Gleichheit aller vor dem Gesetz. Niemand soll aufgrund seiner Herkunft oder seines gesellschaftlichen Status vor Gericht benachteiligt werden (2.Mose 12,49; 3.Mose 24,22; 4.Mose 15,15-16; 4.Mose 15,29).

Diese Gleichstellung betrifft dabei nicht nur das Wohnrecht (3.Mose 19,33-34a) sondern – und hierin besteht für uns die wohl größte Herausforderung im Umdenken und Neudenken – auch in einem Anteil am Erbe des Volkes (Hesekiel 47,22). David hatte diesen Gedanken verstanden und konkret umgesetzt: Er gab den Fremden in Seinem Lande sogar die Möglichkeit, am Bau des Heiligtums ganz praktisch mit zu wirken und so die gemeinsame Heimat auch kulturell mit zu gestalten (1.Chronik 22,1-2).

Pflichten

Aus den genannten Pflichten ergeben sich für uns als Bürger auch ganz konkrete Pflichten. Zum einen bedingt der Grundsatz der Gleichheit aller vor dem Gesetz (Legislative) auch eine praktische Gleichstellung in der Rechtsprechung (Judikative). So macht Gott unmissverständlich klar, dass Rechtsbeugung und Unterdrückung vollkommen indiskutabel sind und Seinen ungeminderten Zorn, ja Seinen Fluch nach sich ziehen (5.Mose 24,17; 5.Mose 27,19; Jer 22,3).

Vielmehr sollen wir den uns fremden Menschen unser ganzes Mitgefühl schenken, Ihnen unsere Güte und Barmherzigkeit schenken und uns in ihre Lage versetzen, indem wir daran denken, wie es ist, Ausländer und Fremder zu sein in einem fremden Land (2.Mose 23,6-9; 3.Mose 19,33-34; Sacharja 7,9-10).

Auch sind wir aufgefordert, uns in jedem Falle so zu verhalten, dass auch das bürgerliche Leben und das wirtschaftliche Überleben unserer fremden Mitmenschen gesichert ist. Im Alten Testament geschah dies durch das Verbot der Nachlese (3.Mose 19,10; 3.Mose 23,22; 5.Mose 24,19; 5.Mose 24,20+21), die Aufforderung zur pünktlichen Lohnzahlung (5.Mose 24,14-15) und – man staune! – in der Anteilhabe am Zehnten, dem damaligen Äquivalent staatlicher Einnahmen (5Mose 14:28-29)!


Zielbild

Alle bisher beschriebenen Rechte und Pflichten bleiben jedoch noch weit hinter dem zurück, was Gott mit ihnen, ihrem Wesen nach, beabsichtigt. Schließlich geht es bei allen Rechten und Pflichten nicht um rein juristische Vorschriften. Es geht um echte Liebe. Um Zuneigung und Mitgefühl. Um Güte und Barmherzigkeit.

An zwei Stellen im Alten Testament wird das, was Gott mit Seinen Geboten beabsichtigt, besonders deutlich: in der Beschreibung des Wochenfestes und des Laubhüttenfestes (5.Mose 16:9-15) und der Darbringung der Erstlingsfrüchte und des Zehnten (5.Mose 26,5-11). In beiden Fällen ist die Rede von einer frohen und freudigen Festgemeinschaft, an der sowohl das Volk Gottes, als auch die Fremden teil haben sollten:
„Und sollst fröhlich sein vor dem HERRN, deinem Gott, du und ... der Fremdling, ... die in deiner Mitte sind ... Denke daran, dass du Knecht in Ägypten gewesen bist, und beachte und halte diese Gebote ... und du sollst fröhlich sein an deinem Fest, du und ... der Fremdling, ... die in deiner Stadt leben. ... Denn der HERR, dein Gott, wird dich segnen in deiner ganzen Ernte und in allen Werken deiner Hände; darum sollst du fröhlich sein.“ (5.Mose 16:9-15)
und weiter:
„Dann sollst du anheben und sagen vor dem HERRN, deinem Gott: Mein Vater war ein Aramäer, dem Umkommen nahe, und zog hinab nach Ägypten und war dort ein Fremdling ... Aber die Ägypter ... bedrückten uns ... Da schrien wir zu dem HERRN, ... Und der HERR erhörte unser Schreien und sah unser Elend, unsere Angst und Not und führte uns aus Ägypten mit mächtiger Hand ... und gab uns dies Land, darin Milch und Honig fließt. Nun bringe ich die Erstlinge der Früchte des Landes, das du, HERR, mir gegeben hast. - Und du sollst sie niederlegen vor dem HERRN, deinem Gott, und anbeten vor dem HERRN, deinem Gott, und sollst fröhlich sein über alles Gut, das der HERR, dein Gott, dir und deinem Hause gegeben hat, du und ... der Fremdling, der bei dir lebt.“ (5.Mose 26,5-11)

Das Ziel aller Gebote und Ordnungen Gottes ist also unmissverständlich: herzliche Gemeinschaft zwischen Bürgern und Fremden, die sich nicht nur in der Jurisdiktion und Rechtsprechung auswirkt, sondern von Herzen kommt. Eine Gemeinschaft, die dafür sorgt, dass ausnahmslos jedem nicht nur die gleichen Rechte eingeräumt und diese auch eingehalten werden, sondern dass herzliche Freundlichkeit, Güte und Barmherzigkeit unseren Esprit prägen. Eine Liebe, die letztendlich darin ihren Ausdruck findet, dass selbst die höchsten Jahresfeste gemeinsam und mit Freude gefeiert werden können.


AUSBLICK

Angesichts der aktuellen Situation bleiben viele Fragen offen. Fragen, die in diesem kurzen Artikel nicht nur nicht beantwortet werden, sondern die an vielen Stellen sogar nicht einmal aufgeworfen werden konnten. Dennoch möchte das hier aufgezeigte Leitbild einen Lösungsraum aufspannen, in welchem ganz konkrete Entscheidungen getroffen und Maßnahmen umgesetzt werden können. 

Wo sich unser Wille und unser Tun an der Liebe Gottes orientiert, werden wir auch Antworten auf die noch offenen Fragen finden. Letztlich ist es Gott selbst, der uns versprochen hat, uns angesichts der wirtschaftlichen und auch sozialen Herausforderungen nicht allein zu lassen: Wenn wir uns nach Seinem Willen richten, hat Er uns Seinen Segen versprochen – in allem, was wir tun (5Mose 14,29; 5Mose 24,19).

Möge Gott uns die Gnade und Weisheit geben, Seinen Willen – gerade heute! – zu tun.

Von der Gefahr des Hochmuts in theologischer Rechthaberei



TABLETALK FEBRUARY 2012, S. 27 

Von Dr. R.C. Sproul. jr.

Aus dem Amerikanischen übersetzt von Michael Künnemann 

Überlasse es den reformierten Menschen, den Punkt zu verfehlen. Wenn Paulus den Leib Christi als einen Körper beschreibt, der zum Teil aus Händen, Ohren und so weiter besteht, sind wir schnell dabei unser Revier abzustecken - wir sind das Gehirn der Kirche. Wir sind diejenigen die mit Fug und Recht so besorgt um unsere Theologie sind. Die großen Denker der Kirche waren reformiert und man könnte sicher behaupten, dass der größte Denker, in theologischer oder anderer Hinsicht, der jemals die Küsten Nordamerikas beehrte, Jonathan Edwards war.


Es steht außer Frage, dass dieser Mann einen überragenden Intellekt hatte. Wir wären gut beraten, uns zu seinen Füßen zu setzen und von ihm zu lernen. Edwards über den Willen ist unwiderlegbar genial. Edwards über die Trinität wird Dich ganz wirr im Kopf machen. Edwards war ein gigantischer Geist, dessen Brillanz nur noch von seinem aufrichtigen und leidenschaftlichen Herzen überstrahlt wurde. Sollten wir die theologische Weisheit Edwards' zu eigen machen? Natürlich, auf jeden Fall. Es wäre jedoch noch besser, wenn wir vom Hingegebensein seiner Seele kosten würden.

Natürlich erhöhen wir die Inbrunst unserer Gefühle nicht, indem wir die Aufnahmefähigkeit unseres Gehirns herunterfahren. Noch werden wir jemals die Frucht des Geistes tragen, wenn die Saat des Wortes nur in den felsigen Boden unserer Gehirne, statt in den fruchtbaren Boden unserer Herzen pflanzen. Sicher müssen wir Ihn kennen um Ihn zu lieben. Sicher müssen wir Ihn studieren, um Ihn zu kennen. Doch niemand hat Ihn gründlicher studiert, als der Teufel und es hat ihm nicht im Mindesten gut getan. 

Erst vor einigen Wochen, während ich schreibe, öffnete das Reformation Bible College seine Türen zum ersten Mal. Der erste Kurs, den ich lehrte, hat einen ziemlich pompösen Namen: ST101 Theologische Prolegomena. Diese hochgestochene Überschrift bedeutet so ungefähr "Einführung in die Systematische Theologie". Es ist das Studium, welches wir betreiben, bevor wir unser Studium beginnen. Geschichtlich gesehen würde ein solcher Kurs, einleuchtender weise, mit der Lehre der Offenbarung beginnen, untersuchend, wie Gott Sich Selbst in Seinem Wort und der Natur offenbart. Er würde Kernpunkte des Kanons berücksichtigen und verschiedene Theorien der Inspiration. Wir werden, letztendlich, zu diesen wichtigen Punkten kommen. In einem anderen Semester werden wir unsere Aufmerksamkeit dem zuwenden, was wir "Theology Proper" [d.i. "Vom Wesen Gottes", ein Teilbereich der Systematischen Theologie, Anm. d. ÜS.] nennen, dem effektiven Studium des Wesens und der Eigenschaften Gottes. Ungeachtet des Unterrichtsstoffes dieses künftigen Kurses, begannen wir diesen ersten Kurs mit einem klassischen Werk, The Holiness of God.

Meine Befürchtung, im Blick auf diesen ersten Kurs war, dass wir in die Falle gehen würden, in die schon so viele reformierte Menschen tappten. Ich befürchtete, dass wir, selbst mit den herrlichen Wahrheiten der Schrift, dabei landen würden, den Ohren zu schmeicheln. Ich wäre schuldig, den Ohren zu schmeicheln, wenn ich, in meiner Lehre, die Studenten dazu ermutigte zu dem Schluss zu kommen, "Was für ein pfiffiger Mensch ich doch bin!" anstatt: "Was für ein herrliches Evangelium hat einen so elenden Sünder wie mich gerettet." Ich wollte uns, durch das gemeinsame Studium dieses Buches, ermöglichen, in den Spiegel Seines Charakters und Seiner Herrlichkeit zu sehen, um zu erkennen, abscheulich wir sind. I wollte, dass wir etwas vom Umfang Seiner Transzendenz verstehen auf dass wir jemals versucht wären, zu dem Schluss zu kommen, dass unsere Studien in den Himmel reichten, wie der Turm zu Babel. Ich hatte Angst um meine Studenten, gerade weil ich mich erinnerte, wie ich als Student so war. Mit was für einem cleveren Teufel wir doch kämpfen, der unser Studium einwandfreier Theologie in eine Gelegenheit zum Stolz verwandeln kann

Wir werden nicht gesund werden, bis wir diese offenkundige Wahrheit annehmen: Pfiffig zu sein ist keine der Früchte des Heiligen Geistes. (Hervorhebungen durch den ÜS.) Natürlich haben wir Gott mit unserem ganzen Verstand zu lieben. Doch wir sollen Gott mit all unserem Verstand lieben, Ihn nicht bloß verstehen. Wenn unser Wissen die Distanz von unseren Köpfen hinunter zu unseren Herzen nicht durchqueren kann, leiden wir unter geistlicher Leere. Wir werden nicht anfangen gesund zu werden, bis wir diese offenkundige Wahrheit annehmen: Wir kommen ins Königreich nicht als Wissenschaftler oder Studenten, sondern als Kinder.

Kurz: Wir werden nicht gesund werden wenn und bis wir nicht lernen aufzuhören, akademischem Respekt nachzulaufen, und zu beginnen, das Königreich Gottes und Seine Gerechtigkeit zu suchen. Wir sollen alle irdische Sorge hinter uns lassen. Wir sollen aufhören, zu suchen, was die Heiden suchen. Die Frucht der Liebe, ist letztendlich die Frucht des Geistes. Liebe zeugt Liebe. Liebe bringt Freude hervor. Liebe spendet Frieden. Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstdisziplin: all diese brechen hervor wie die großen Reben voll Trauben, welche die Israelitischen Späher im Gelobten Land fanden. Keine von diesen kommt jedoch hervor von dem unfruchtbaren Boden unserer intellektuellen Neugier, viel weniger noch von der verbrannten Erde intellektuellen Stolzes.

Edwards war ein großer Mann Gottes. Das war er jedoch, weil er erstrebte, ein Mann Gottes zu sein, anstatt ein großer Mann zu sein. Dass seine Nachkommenschaft Senatoren und Gouverneure waren, Professoren und Universitäts-Rektoren, bedeutete ihm gar nichts. Dass sie demütig dem Sohn des Zimmermanns aus Galiläa folgten - das war, was er hoffte und wofür er betete und arbeitete. Das ist die Frucht der Nächstenliebe.
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Dr. R.C. Sproul Jr. ist Lehrbeauftragter bei Ligonier Ministries, Gründer von Highland Ministries und Autor von Bound for Glory: A Practical Handbook for Rainsing a Victorious Family. Folge ihm auf Twitter @RCSproulJr.